Die Zukunft der medizinischen Information

Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin: Eine aktuelle Zwischenbilanz

Heise.de ist ja sowas wie das News-Bulletin der IT-Branche und vorgestern erschien dort ein Kommentar zum neuen GPT-4 mit dem Titel Everything Everywhere All at Once. Es ging, richtig, um die aktuellen KI-Entwicklungen und selbst der fachkundige Kommentator hält fest: „… was in dem Bereich in den letzten Tagen passiert ist, lässt einen fast schon atemlos zurück.“ (Link).

Muss man das alles wissen, was hier gerade passiert? Der Autor beschreibt detailreich die unglaubliche Entwicklung der letzten Monate, empfiehlt aber auch einen gelassenen Umgang damit. Sein Fazit: „Aus der Revolution wird Evolution und aus dem aktuellen KI-Hype werden sehr nützliche Produkte und Dienstleistungen hervorgehen.“

Das gilt natürlich auch für die Medizin. In diesem Blog haben wir Ihnen schon den einen oder anderen Aspekt vorgestellt und vor ein paar Wochen erst die Frage gestellt: „Wann wird es ernst?“ (Link). Beim ganzen Zukunfts-Hype gerät durchaus in Vergessenheit, dass in manchen Bereichen der Medizin KI-Anwendungen bereits Alltag sind – und nicht nur Zukunftsmusik.

Die Zeitschrift PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE hat in ihrer Ausgabe Februar 2023 dazu einen interessanten Beitrag veröffentlicht. Der fasst die Veranstaltungen vom Deutschen Krebskongress (DKK) zusammen, in denen es um KI-Anwendungen in der Onkologie geht. Diesen Beitrag können Sie hier mit freundlicher Genehmigung des Autors und des MiM-Verlags herunterladen.

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Telemedizin hilft Patienten mit Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, mehr als 45.000 Menschen sterben jährlich daran. Um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz auch im ländlichen Raum zu verbessern, bietet das Klinikum Nürnberg über sein Ambulantes BehandlungsCentrum (ABC) am Klinikum Nürnberg Süd seit Herbst 2022 ein telemedizinisches Versorgungsmodell an. 25 Patienten sind bereits in dem in der Metropolregion Nürnberg bislang einmaligen Telemonitoringzentrum Herzinsuffizienz eingeschrieben.

Und so funktioniert das Telemonitoring: Die teilnehmenden Herzinsuffizienzpatienten – sie werden vom Hausarzt, Kardiologen, Pneumologen, Kinder- oder Jugendarzt am Telemedizinzentrum des Ambulanten BehandlungsCentrum (ABC) am Klinikum Nürnberg Süd eingeschrieben – erhalten zunächst die entsprechende technische Ausstattung. Dazu gehören Tablet, Waage und Blutdruckmessgerät. Ab da messen sie täglich Vitalfunktionen wie Blutdruck und Gewicht und speisen diese zusammen mit einer Aussage über ihr Allgemeinbefinden via Tablet in die digitale Herzinsuffizienz-Plattform ein, wo die Daten von einer speziell geschulten medizinischen Fachkraft ausgewertet werden. Weichen Werte von der Norm ab, informiert die koordinierende kardiologische Praxis am Ambulanten BehandlungsCentrum (ABC) des Klinikums Nürnberg den behandelnden Arzt, der dann die Maßnahmen anpasst. Sind Grenzwerte deutlich überschritten, löst das System automatisch Alarm aus und der Patient bzw die Patientin wird umgehend von einem Arzt oder dem Notdienst kontaktiert.

Von der telemedizinischen Patientenbetreuung am Ambulanten BehandlungsCentrum des Klinikum Nürnberg sollen insbesondere auch Herzinsuffizienz-Patientinnen und -Patienten im ländlichen Raum profitieren, die vielleicht einen längeren Weg zum nächsten Arzt haben und sich im Alltag mehr Sicherheit im Umgang mit der chronischen Erkrankung wünschen. „Ein Großteil unserer stationären aber auch ambulanten Patientinnen und Patienten am Herz-Gefäß-Zentrum kommt aus der Metropolregion“, betont Prof. Dr. med. Matthias Pauschinger. „Sie partizipieren so am digitalen Fortschritt in der Medizin.“

 

(Quelle: Pressemitteilung des Klinikums Nürnberg vom 10.03.2023, gekürzt)

ePA: Wird sie 2024 wirklich Realität?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach macht ja schon seit längerem Druck bei der Elektronischen Patientenakte (ePA) und wie man hört, ist sein Vorschlag zur Opt-out-Lösung gerade auch Thema bei der Klausurtagung der Bundesregierung. Die aktuell verfügbare ePA-Variante, die schon 2021 gestartet war, nutzen nicht mal 1 Prozent der Berechtigten. Traurig, aber wahr.

Mittelfristig ist bereits eine andere Telematikinfrastruktur in Planung, von der die gematik schon mal eine erste technische Spezifikation veröffentlicht hat. Sie soll auf einer „GesundheitsID“ basieren, die der europäischen Verordnung für elektronische Identifizierung (eIDAS) entspricht. Die Krankenkassen sollen dabei als so genannte sektorale Identity Provider die digitalen Identitäten ihrer Versicherten verwalten. Die können sich dann einfach per Smartphone legitimieren – wie das heute beim Bezahlen bereits möglich ist.

Allerdings benötigen medizinische Daten laut eIDAS-Verordnung eine Zwei-Faktor-Authentisierung. Die gematik setzt das in der veröffentlichten Spezifikation über die Onlineausweisfunktion des Personalausweises oder über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit PIN um. Eins davon braucht es dann neben der ID. Nicht sehr nutzerfreundlich … Ob biometrische Daten wie Gesichtserkennung oder Fingerabdrucksensor des Smartphones ein ausreichendes Sicherheitsniveau bieten, wird aktuell kontrovers diskutiert.

Weil solche Diskussionen erfahrungsgemäß dauern können, will Lauterbach jetzt pragmatisch vorgehen und setzt auf eine Zwischenlösung. „Wir machen Dinge viel zu kompliziert“ sagte er gerade in einem Interview mit der FAZ. Sein Credo: Nicht warten, bis es für alle Befunde eine standardisierte Datenstruktur gibt, sondern endlich richtig loslegen. Und wenn es für den Anfang PDF-Dateien sind, die in der ePA gespeichert werden, will er damit auch leben. Klingt vernünftig. Mal sehen, wie das dann in der Praxis aussehen wird. Bis Ende 2024 soll es soweit sein.

Ghostwriter ChatGPT

Die Tagesschau sinniert drüber „wenn der Chatbot den Aufsatz schreibt“ und der stern berichtet: „Universitäten und Schulen wollen Gebrauch von ChatGPT eindämmen“.

Nun haben wir in den letzten Wochen Meldungen dieser Art häufig gelesen. Schüler freuen sich, aber Agenturen und Verlage fürchten schon das Ende ihrer Existenz. Alle zukünftigen Fragen wird die KI beantworten und die entsprechenden Artikel verfassen. Bevor wir uns ebenfalls dem Schicksal ergeben und alle Blogbeiträge künftig ChatGPT überlassen, mal eine ganz pragmatische Frage, die die KI selbst beantworten darf:

Sind die Texte, die von ChatGPT verfasst werden, urheberrechtlich geschützt?

ChatGPT: Ja, die Texte, die von ChatGPT generiert werden, sind urheberrechtlich geschützt. Die zugrunde liegende Technologie und die Daten, die zur Erstellung von ChatGPT verwendet wurden, sind das geistige Eigentum von OpenAI und seinen Partnern. Die generierten Texte stellen eine einzigartige Kombination von Wörtern und Sätzen dar, die von ChatGPT generiert wurden, und daher genießen sie den gleichen Schutz wie jedes andere urheberrechtlich geschützte Werk. Es ist wichtig, die Urheberrechte von ChatGPT und OpenAI zu respektieren und die generierten Texte nur im Rahmen der von OpenAI festgelegten Nutzungsbedingungen zu verwenden. Die korrekte Zitierung wäre übrigens so: (ChatGPT-Modell, erstellt am 22. Februar 2023).

Nur: ist diese Antwort so eindeutig in Deutschland gültig? Schließlich unterscheidet sich das amerikanische Copyright doch deutlich vom deutschen Urheberrecht, denn „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen“. Hier sollte der Gesetzgeber schnellsten Klarheit schaffen.

Chronologie eines Desasters

Peter Schaar ist eine Institution des Datenschutzes. Als Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat er zwischen 2003 und 2013 zehn Jahre Missstände in der Informationsverarbeitung aufgedeckt. Seit 2016 leitet er die Schlichtungsstelle der gematik. Schaar ist ein Insider, der sämtliche Facetten der Branche kennt.

In seinem aktuellen Buch hat er sich die Telematikinfrastruktur vorgenommen und schon die Kapitelüberschriften lesen sich wie die Chronologie eines Desasters: Der lange Weg zur Gesundheitskarte, Selbstverwaltung – Selbstblockade?, Von der eCard-Strategie zur TI 2.0. Und im Vorwort ergänzt Schaar: „Ich habe darauf verzichtet, die jüngsten Diskussionen im Detail nachzuvollziehen.“

Warum sollte er auch? Der immer weiter verschobene Start des E-Rezeptes und das Konnektor-Chaos bestätigen nur, was Schaar an Informationen aus den letzten 20 Jahre zusammen getragen hat: Jeder für sich und alle gegen alle. Und man mag kaum glauben, dass es schon 20 Jahre her ist, dass die Digitalisierung mit dem Planungsauftrag von Ulla Schmidt 2003 ihren Lauf nahm. Das war eine Zeit, in der es weder Smartphones noch Cloud-Computing gab. Ein Teil des Desasters besteht ja auch darin, dass man an manchen Ideen von damals noch immer festhält – obwohl die Realität sich dramatisch verändert hat.

Erfreulicherweise entwickelt Schaar zum Schluss auch Lösungsansätze, wie man das völlig vermurkste Projekt doch noch retten könnte. Und denkt dabei europäisch. Man kann nur hoffen, dass der eine oder andere Politiker das Buch liest. Denn auf diese Lösung wird die deutsche Selbstverwaltung auch in den nächsten 20 Jahren noch nicht kommen.

Peter Schaar. Diagnose Digital-Desaster: Ist das Gesundheitswesen noch zu retten? Hirzel-Verlag 2023; Kindle Ausgabe 21,90 Euro