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Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie

Seit gestern findet in Berlin der Kongress der DGPPN statt – der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Und heute war das Präsidentensymposium. DGPPN-Präsident Prof. Andreas Meyer-Lindenberg hatte sich dazu ein sehr spannendes Thema ausgesucht, das in seinen verschiedenen Facetten beleuchtet wurde: KI und Psychiatrie.

Drei Aspekte möchte ich gerne herausgreifen. Aspekt 1: KI in der psychiatrischen Neurobildgebung. Prof. Kerstin Ritter zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie aufgrund von strukturellen und funktionellen MRT-Daten des Gehirns Rückschlüsse auf den Patienten gezogen werden können. Schon mit relativ wenigen Trainingsdaten kann die KI anschließend Alter und Geschlecht eines Patienten nur auf Basis eines MRT bestimmen. Mit viel mehr Trainingsdaten sind Aussagen auch zu vielen psychiatrischen Indikationen möglich.

Die aktuellen Studien dazu laufen noch, Ritter stellte aber bereits retrospektive Daten vor, die auf Basis der britischen UK Biobank-Kohorte erstellt wurden. Und dort konnte die KI auch Aussagen zu Indikationen wie Depression sowie Nikotin- oder Alkoholabusus auf Basis eines MRT stellen – mit einer Genauigkeit bis zu 78%. Und selbst für Lebensstil-Fragen wie körperliche Aktivität oder Fernsehkonsum gaben funktionelle MRT zumindest gute Hinweise. Mehr darüber unter www.ki-campus.org.

Aspekt 2: Verbesserung der mentalen Gesundheit bei jungen Menschen mithilfe einer App. Zwar ist die Zahl der Apps dazu in den App-Stores von Apple und Google sechsstellig, aber die Evidenz geht gegen Null. Die Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Reininghaus am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) geht da einen anderen Weg mit der App AI4U. Die App für den Umgang mit Gefühlen wird in einem „Reallabor“ mit Betroffenen und Betreuern entwickelt und wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt

Basis der App sind tägliche Stimmungsabfragen für Mood-Tracking und personalisiertes Feedback sowie Kurz-Übungen, die Betroffene im Alltag durchführen können. Durch KI-Methoden soll sichergestellt werden, dass die jeweiligen Hinweise individuell auf die Patienten zugeschnitten sind. Mehr unter www.ai4u-training.de.

Was ist von Chatbots in der Psychotherapie zu halten und welche Entwicklungen sind hier abzusehen? Diesem Aspekt 3 ging Prof. Harald Baumeister nach. Anhand einer unterhaltsamen Konversation mit ChatGPT zeigte er, dass dieser Bot für die psychotherapeutische Arbeit aktuell völlig ungeeignet ist. Aber auch spezialisierte Bots wie Wysa oder Woebot sind noch zu fehlerbehaftet für einen Einsatz in kritischen Situationen, so Baumeister.

Das Problem aus seiner Sicht heißt Overtrust. Man glaubt dem Bot, weil alles so gut klingt, was er schreibt oder sagt. Er ist aber verhalten optimistisch, dass sich die Bot-Qualität schon bald verbessert. Denn Open Source-Software und eine große Science-Community sorgen dafür, dass zunehmend auch mehr Expertenwissen einfließt. Etwa indem die Antworten des Bots von menschlichen Experten „geratet“ werden und diese Bewertung dann für zukünftige Antworten berücksichtigt wird. Und indem der Nutzer sich in VR- oder AR-Anwendungen das passende Ambiente und den passenden „Therapeuten-Avatar“ für seine Therapiestunde auswählt.

Eins machte das Präsidentensymposium jedenfalls klar: Für die besonders komplexen Fragestellungen der Psychiatrie ist die besonders komplexe KI ein wichtiges Tool.

Uniklinik Freiburg: KI verfasst Pressemitteilung

Das Universitätsklinikum Freiburg hat einen bedeutenden Schritt in Richtung Integration von Künstlicher Intelligenz in seine Kommunikationsarbeit unternommen. Am 15. November 2023 veröffentlichte das Klinikum seine erste vollständig von Künstlicher Intelligenz generierte Pressemitteilung mit dem Titel „Innovative Zellmodelle können die Sicherheit der Krebsimmuntherapie erhöhen“. Diese Pressemitteilung präsentiert eine wissenschaftliche Studie auf eine verständliche Weise, auch für Laien. Die Erstellung erfolgte mithilfe eines Links zum wissenschaftlichen Abstract der Studie in englischer Sprache sowie unter Verwendung einer Reihe von zuvor festgelegten Regeln und Einschränkungen, nach denen das System ChatGPT geschult wurde. Lediglich geringfügige manuelle Anpassungen waren erforderlich.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Verantwortung zu jeder Zeit bei den Menschen bleibt, sowohl auf der Seite der Kommunikation als auch auf der Seite der Wissenschaft. Benjamin Waschow, der Leiter der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums Freiburg, sagt: „Es ist nicht allein entscheidend, welchen Beitrag KI und Menschen einzeln leisten. Die Kombination aus KI-gestützter Erstellung und menschlichem Fachwissen ist entscheidend für die Qualität unserer Pressemitteilungen. Die KI erleichtert die Arbeit erheblich, aber die endgültige Überprüfung und Freigabe durch unsere Experten gewährleistet, dass die Inhalte unseren hohen Standards entsprechen.“

Mit dieser Entwicklung demonstriert das Universitätsklinikum Freiburg, wie effizient KI-Technologie auch in den Prozess der Wissenschaftskommunikation integriert werden kann. In anderen Bereichen der Unternehmenskommunikation, wie zum Beispiel in den sozialen Medien, wird KI bereits erfolgreich eingesetzt.

Link zur ersten vollständig durch KI verfassten Pressemitteilung:
Innovative Zellmodelle können Krebsimmuntherapie sicherer machen (15.11.2023)
www.uniklinik-freiburg.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/3944-innovative-zellmodelle-koennen-krebsimmuntherapie-sicherer-machen

Quelle: Nach einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg vom 17.11.2023

BÄK und KI

Im Oktober dieses Jahres veranstaltete die Bundesärztekammer (BÄK) in Berlin ein interdisziplinäres Treffen zur Diskussion über künstliche Intelligenz (KI). Präsident Klaus Reinhardt betonte, dass der gewählte Titel absichtlich gewählt wurde, da ärztliche Fähigkeiten und KI keine gegensätzlichen Konzepte seien. Die Frage, was KI eigentlich ist, stellte sich jedoch als umstritten heraus. Es wurde klar, dass die ärztliche Verantwortung im Umgang mit KI neu überdacht werden muss.

Ein bedeutender Trend, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ansprach, waren Deep Learning und generative KI. Als Beispiel für Deep Learning erwähnte er AlphaFold, ein künstliches neuronales Netzwerk, das die dreidimensionale Struktur von Proteinen präzise anhand ihrer Aminosäuresequenzen vorhersagen kann. In der Onkologie wird die AlphaFold-Datenbank bereits intensiv für die Arzneimittelentwicklung genutzt. Generative KI, die auf Sprachmodellen basiert, ermöglicht die Erzeugung von Inhalten wie Behandlungsvorschlägen aus Textzusammenfassungen. Lauterbach hob hervor, dass dies Anzeichen für echte Intelligenz seien. Aktuelle Entwicklungen in den USA setzen Europa unter Druck, da dort Unternehmen wie Nuance Communications, Epic Systems und GPT4 eine neue Plattform entwickeln und ein Monopol aufzubauen scheinen. Die Frage lautet: Sollten wir mitmachen oder unsere eigenen Modelle entwickeln?

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin widersprach Lauterbachs Definition von KI vehement. Generative Sprachmodelle seien zwar Sprachproduktionssysteme, aber keine echte Intelligenz. Er betonte, dass der Einsatz solcher Werkzeuge dennoch hilfreich sein könne, aber in der Medizin stehe die Beziehung zwischen Patient und Arzt im Mittelpunkt. Nida-Rümelin zog einen historischen Bogen von der Kybernetik von Norbert Wiener über den Turing-Test bis zur digitalen Transformation und betonte die Wichtigkeit, sich vor Prognosen zu hüten.

Ulrike I. Attenberger, Leiterin des KI.NRW-Flaggschiffprojekts „Innovative Secure Medical Campus“ am Universitätsklinikum Bonn, präsentierte praktische Beispiele. Sie betonte die Notwendigkeit, den konkreten Nutzen von KI im Auge zu behalten. Ein Problem ist die Generierung valider Evidenz, da nur bei wenigen KI-Analysetools nachgewiesen werden konnte, dass sie die Effizienz steigern oder einen signifikanten klinischen Nutzen haben.

Attenberger wies darauf hin, dass KI eng mit Digitalisierung und Tele-Robotik verbunden ist. Chirurgische Eingriffe können über große Entfernungen hinweg durchgeführt werden, was angesichts des Fachkräftemangels in abgelegenen Gebieten von Bedeutung ist. Dies wirft ethische Fragen auf, insbesondere wenn die KI von Ärzten abweicht. Wer trägt die Verantwortung?

Eva Winkler, Vorsitzende der Zentralen Ethikkommission bei der BÄK, griff diese Frage auf und zeigte, wie leicht das Vertrauen in KI-Systeme in die Irre geführt werden kann. Sie betonte, dass die ärztliche Letztentscheidung entscheidend ist, aber die Verantwortung auf mehreren Ebenen liegt, einschließlich der Ärzte, der Institutionen und der Gesetzgeber.

 

App-Diagnostik in der Alzheimer-Therapie unverzichtbar

Letzte Woche fand in Berlin der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) statt und Schwerpunkt waren in diesem Jahr die neurodegenerativen Erkrankungen, allen voran die Alzheimerdemenz. Hier gibt es wirklich bahnbrechende Neuerungen in der Therapie in Form von monoklonalen Antikörpern. Sie unterdrücken die Ablagerungen von Amyloid-ß, was allgemein als ein erster molekularer Schritt in Richtung der kognitiven Beeinträchtigungen angesehen wird. Wer im Alter an Alzheimer erkrankt, fängt in der Regel bereits ab 50 Jahren damit an, Amyloid-ß im Gehirn abzulagern.

Die neuen Therapien mit den Antikörpern Lecanemab und Donanemab werfen noch jede Menge Fragen auf, u.a. ganz zentrale nach der Bezahlbarkeit und dem Nebenwirkungsmanagement. Sicher ist jedoch: Sie werden eine Zulassung für Menschen mit leichten kognitiven Defiziten (MCI) erhalten. MCI haben etwa 7% der 65- bis 69-Jährigen und 25% der 80- bis 85-Jährigen. Von den 65-Jährigen mit MCI entwickeln rund 15 % innerhalb von zwei Jahren eine Demenz, mit dem Alter steigt diese Transformationsrate erheblich. Diagnostizieren lässt sich ein MCI etwa über den MoCA-Test, das Montreal Cognitive Assessment, und den DemTect-Kurztest.

Die genaue Erfassung kognitiver Defizite und die Beurteilung ihrer Progredienz bereiten jedoch in der Praxis große Probleme. Die Papier-basierten Tests finden in der Klinikumgebung statt, sind aufwendig und für die kognitiv beeinträchtigten Patienten stressig. Das beeinträchtigt ihre Durchführbarkeit, Validität und Reliabilität. In Summe limitiert das den sinnvollen Einsatz für weiterführende diagnostische Maßnahmen und therapeutische Entscheidungen.

Auf dem Kongress vorgestellt und diskutiert wurden daher aktuelle Entwicklungen mobiler Apps wie neotivCare. Solche mobilen Anwendungen können helfen, die kognitive Diagnostik von Patienten mit Gedächtnisproblemen zu verbessern. Sie können so einen gezielten und sinnvollen Einsatz weiterführender Diagnostik ermöglichen und helfen, Ursachen kognitiver Probleme zu erkennen. Im Umfeld der sich gerade entwickelnden neuen Therapiemöglichkeiten wird solchen eHealth-Lösungen daher ein zentraler Platz im Therapiemanagement zukommen.

Die helle Seite der Künstlichen Intelligenz (KI)

Wie letzte Woche beschrieben, könnten Sprachmodelle wie ChatGPT das Gesundheitswesen revolutionieren – und trotz aller berechtigten Bedenken sogar die Effizienz steigern. Sie könnten beispielsweise dazu beitragen, die Einhaltung medizinischer Anweisungen zu verbessern und Missverständnisse zu reduzieren, indem sie medizinische Informationen verständlicher machen. Darüber hinaus könnten sie in Peer-to-Peer-Systemen zur psychologischen Unterstützung eingesetzt werden, um die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.
Sprachmodelle könnten auch bei der Behandlung von Sprachstörungen hilfreich sein, indem sie personalisierte Ansätze unterstützen. Sie könnten Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen helfen, ihren Wortschatz zu erhalten oder Informationen besser zu verstehen. Viele Anwendungen dieser Modelle im Gesundheitswesen sind jedoch noch nicht ausgereift und erfordern eine spezielle Schulung und Bewertung. Die Einbeziehung aller Interessengruppen ist entscheidend, um den besten Weg für den Einsatz dieser Technologien im Gesundheitswesen zu finden. In einem gut regulierten Umfeld könnten Sprachmodelle die Gesundheitsversorgung verändern und die Lebensqualität der Patienten verbessern.
Die Übertragung administrativer Aufgaben auf KI kann auch wirtschaftliche Auswirkungen haben und zu Kosteneinsparungen führen. KI-Systeme können Patiententermine automatisieren, indem sie die Verfügbarkeit von Ärzten prüfen und Termine auf der Grundlage der Präferenzen der Patienten und der Dringlichkeit ihrer Anliegen planen. Sie können auch Erinnerungen versenden und Termine bei Absagen automatisch neu planen, wodurch die Zahl der versäumten Termine verringert wird. KI kann den Prozess der Patientenaufnahme beschleunigen, indem sie Patientendaten automatisch erfasst und in elektronische Patientenakten einträgt. Dadurch können Wartezeiten verkürzt und die Datenqualität verbessert werden. Auch die Effizienz in Bereichen wie der Rechnungsstellung, dem Dokumentenmanagement oder der Lagerverwaltung kann durch die Automatisierung dieser administrativen Aufgaben in Gesundheitseinrichtungen gesteigert werden.

Die dunkle Seite der Künstlichen Intelligenz (KI)

Das Potenzial von KI-basierten Systemen ist gigantisch – wir haben hier im Blog schon viele beeindruckende Beispiele vorgestellt. Dazu gehören auch die „Clinical Decision Support Systems“ zur Entscheidungsunterstützung in der Medizin (KES). Um deren Pros und Kons ging es bei einer von der Bundesärztekammer ausgerichteten Veranstaltung zum Thema Künstliche Intelligenz in der Medizin, von der heise online letzte Woche berichtete (Link).

Klinische Entscheidungssysteme auf Basis von KI bieten erhebliche Vorteile (z. B. Präzision und Effizienz) sind aber keinesfalls ohne ethische und klinische Herausforderungen. Zu den ethischen Herausforderungen gehören:

  • Datenschutz: Die Verwendung von Patientendaten in KI-Modellen kann Datenschutzprobleme aufwerfen.
  • Verantwortlichkeit: Bei Fehlern oder Fehldiagnosen kann unklar sein, wer die Verantwortung trägt – der Arzt, der das System verwendet hat, oder der Entwickler des Systems.
  • Bias: KI-Modelle können Fehler aus den Trainingsdaten übernehmen, was zu diskriminierenden Entscheidungen führen kann.

Wichtigste klinische Herausforderung ist die Validierung: Die klinische Wirksamkeit von KES muss rigoros getestet werden, um ihre Sicherheit und Effektivität zu gewährleisten. Dabei kann die in der Praxis noch immer schlechte Interoperabilität die Integration von KES in bestehende Systeme erheblich stören.

Künstliche Intelligenz bei der Brustkrebsfrüherkennung in Schweden

Wir bleiben thematisch beim Brustkrebsmonat und schauen nach Nordeuropa. In der Zeitschrift THE LANCET Digital health haben Dembrower K. et al. kürzlich ihren Artikel  „Artificial intelligence for breast cancer detection in screening mammography in Sweden: a prospective, population-based, paired-reader, non-inferiority study“ veröffentlicht.
Die Studie untersuchte, ob künstliche Intelligenz (KI) bei der Erkennung von Brustkrebs in Mammographien genauso gut oder besser ist als menschliche Radiologen.
Die Studie wurde in einem Krankenhaus in Stockholm, Schweden, durchgeführt. An ihr nahmen Frauen im Alter von 40 bis 74 Jahren teil, die keine Brustimplantate hatten.
Die Forscher verglichen die Ergebnisse von Mammogrammen, die von einem Radiologen und einer KI befundet wurden, mit denen von zwei Radiologen.
Zwischen April 2021 und Juni 2022 wurden 55 581 Frauen untersucht. Die KI war bei der Erkennung von Brustkrebs genauso gut wie zwei Radiologen. In einigen Fällen entdeckte die Kombination aus einem Radiologen und KI sogar mehr Krebsfälle als zwei Radiologen.
Schlussfolgerung: Der Einsatz von KI zusammen mit einem Radiologen kann bei der Erkennung von Brustkrebs in Mammographien genauso effektiv sein wie der Einsatz von zwei Radiologen. Dies könnte darauf hindeuten, dass KI in Zukunft eine größere Rolle in diesem Bereich spielen könnte.

DOI:https://doi.org/10.1016/S2589-7500(23)00153-X

Record Linkage: Vom Datenfriedhof zur Gesundheitsforschung

Deutschland ist berühmt – wenn nicht gar berüchtigt – dafür, dass hier Dinge besonders gründlich gemacht werden. Bezogen auf das Gesundheitssystem dürfen wir das auch sein. Denn allem Gemecker zum Trotz ist die Qualität der Versorgung bezogen auf die eingesetzten Mittel auch im internationalen Vergleich sehr gut.

Seit Beginn der Digitalisierung sind wir leider dabei, unseren Vorsprung zu verspielen. Denn in 20 Jahren ist es noch nicht gelungen eine Infrastruktur auf die Beine zu stellen, in der die Patientendaten sicher gespeichert sind, aber auch für Auswertungen zur Verfügung stehen. Sie sind begraben in den Datenbanken von Forschungsinstituten, Krebsregistern, niedergelassenen Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern und Krankenversicherungen – und ruhen dort in Frieden.

Dass das so nicht weiter gehen kann, haben alle verstanden. Theoretisch. Denn um die Praxis wird dann wieder heftig gestritten. Bundeslandspezifische Gesetzgebungen schränken die Möglichkeiten genauso ein, wie behördenspezifische Auslegungen von Bundesgesetzen oder die Lobbyarbeit der Beteiligten von Ärzte-, Kassen- und IT-Seite. Mit der Folge, dass nur Bruchteile der Daten verknüpft und für die Gesundheitsforschung genutzt werden können.

Dem ein Ende zu setzen ist Ziel von NFDI4Health. Dies ist die Initiative des Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie für eine „Nationale Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten“. Wie das gehen könnte, ist in einem fast 200 Seiten starken White Paper mit dem Titel „Verbesserung des Record Linkage für die Gesundheitsforschung in Deutschland“ beschrieben. Sehr lesenwert.

Das White Paper wurde letzte Woche offiziell vorgestellt und kann von der Website kostenlos herunterladen werden.

www.nfdi4health.de

Mensch vs. Maschine: Hautkrebs-Diagnosen

Die jüngst in THE LANCET – Digital Health erschienene Studie “Comparison of humans versus mobile phone-powered artificial intelligence for the diagnosis and management of pigmented skin cancer in secondary care: a multicentre, prospective, diagnostic, clinical trial” von W. Menzies et al. untersucht den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), hier speziell Smartphone-gestützte KI, bei der Diagnose und dem Management von pigmentierten Hautläsionen, die auf Hautkrebs hinweisen könnten.

Hierbei wurden sowohl erfahrene Spezialisten als auch „Novizen“ (junge Ärzte in Weiterbildung) in Kliniken in Australien und Österreich einbezogen. Die Patienten waren zwischen 18 und 99 Jahre alt und hatten bestimmte Hauttypen. Zwei KI-Instrumente wurden getestet: ein neuer 7-Klassen-KI-Algorithmus und der ISIC KI-Algorithmus. Die Diagnosen der KI wurden mit denen von Spezialisten und Anfängern verglichen. Insgesamt wurden 172 verdächtige pigmentierte Läsionen (84 davon bösartig) von 124 Patienten in der diagnostischen Studie und 5696 pigmentierte Läsionen (18 davon bösartig) von 66 Hochrisikopatienten in der Management-Studie untersucht.

  • Der 7-Klassen-KI-Algorithmus zeigte eine Diagnosegenauigkeit, die den Spezialisten ähnlich war (Genauigkeitsunterschied 1,2%) und deutlich besser als die der Anfänger (21,5%).
  • Der ISIC KI-Algorithmus war weniger genau als die Spezialisten (-11,6%), aber besser als die Novizen (8,7%).
  • Bei Management-Entscheidungen war der 7-Klassen-KI-Algorithmus etwas weniger genau als die Spezialisten und zeigte gemischte Ergebnisse im Vergleich zu den Anfängern, je nach Szenario.

Smartphone-basierte KI-Technologie zeigt also Potenzial bei der Diagnose von verdächtigem pigmentierten Hautkrebs, wenn sie von Spezialisten verwendet wird, obwohl ihre Anwendung für Management-Entscheidungen sorgfältiger durchgeführt werden muss. Ein KI-Algorithmus, der in experimentellen Studien überlegen war, war in einem realen Szenario signifikant unterlegen, was darauf hinweist, dass bei der Übertragung von Ergebnissen experimenteller Studien auf die klinische Praxis Vorsicht geboten ist.

Originalbeitrag

Online durch den Brustkrebsmonat Oktober

Letzte Woche ging es hier im Blog um bessere Früherkennung von Brustkrebs durch Künstliche Intelligenz (KI). Heute geht es um den Brustkrebsmonat Oktober. Der wurde einst ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für diese Krankheit – die häufigste Krebserkrankung bei Frauen – zu erhöhen. Und um Frauen überhaupt zu ermutigen, regelmäßige Untersuchungen durchzuführen.

Durch Veranstaltungen, Medienkampagnen und Bildungsinitiativen wird versucht, so viele Frauen wie möglich zu erreichen und über Brustkrebs aufzuklären::

  • Ziel 1 heißt Aufklärung und Sensibilisierung: Es ist wichtig, dass Frauen die Risikofaktoren kennen, die Symptome kennen und auch die verschiedenen Diagnosemethoden von Brustkrebs. Nur so können sie aktiv an ihrer eigenen Gesundheitsvorsorge teilnehmen.
  • Ziel 2 ist die Förderung der Früherkennung: Das fängt an mit der regelmäßigen Selbstuntersuchung und reicht bis zu den Mammografien. Das alles kann dazu beitragen, Brustkrebs in einem frühen, und damit gut behandelbaren Stadium zu entdecken.
  • Ziel 3 ist die Unterstützung von Betroffenen: Der Oktober ist auch eine Zeit, um Solidarität mit Brustkrebspatientinnen und ihren Familien zu zeigen. Ihnen Unterstützung anzubieten und auf die vielen Angebote hinzuweisen, die es für Betroffene gibt.

Der MiM-Verlag mit seiner Facharztzeitschrift PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE unterstützt den Brustkrebsmonat mit einem großen Online Spezial. Neben aktuellen Beiträgen und Klassikern zum Thema Brustkrebs wartet dort u.a. jede Woche ein neuer Podcast auf Sie. Den Anfang macht in dieser Woche ein Interview mit Prof. Achim Rody vom Universitätklinikum Schleswig-Holstein zu neuen Therapiekonzepten beim metastasierten Mammakarzinom.

www.der-privatarzt.de/brustkrebsmonat