Die Zukunft der medizinischen Information

ePA: Wird sie 2024 wirklich Realität?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach macht ja schon seit längerem Druck bei der Elektronischen Patientenakte (ePA) und wie man hört, ist sein Vorschlag zur Opt-out-Lösung gerade auch Thema bei der Klausurtagung der Bundesregierung. Die aktuell verfügbare ePA-Variante, die schon 2021 gestartet war, nutzen nicht mal 1 Prozent der Berechtigten. Traurig, aber wahr.

Mittelfristig ist bereits eine andere Telematikinfrastruktur in Planung, von der die gematik schon mal eine erste technische Spezifikation veröffentlicht hat. Sie soll auf einer „GesundheitsID“ basieren, die der europäischen Verordnung für elektronische Identifizierung (eIDAS) entspricht. Die Krankenkassen sollen dabei als so genannte sektorale Identity Provider die digitalen Identitäten ihrer Versicherten verwalten. Die können sich dann einfach per Smartphone legitimieren – wie das heute beim Bezahlen bereits möglich ist.

Allerdings benötigen medizinische Daten laut eIDAS-Verordnung eine Zwei-Faktor-Authentisierung. Die gematik setzt das in der veröffentlichten Spezifikation über die Onlineausweisfunktion des Personalausweises oder über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) mit PIN um. Eins davon braucht es dann neben der ID. Nicht sehr nutzerfreundlich … Ob biometrische Daten wie Gesichtserkennung oder Fingerabdrucksensor des Smartphones ein ausreichendes Sicherheitsniveau bieten, wird aktuell kontrovers diskutiert.

Weil solche Diskussionen erfahrungsgemäß dauern können, will Lauterbach jetzt pragmatisch vorgehen und setzt auf eine Zwischenlösung. „Wir machen Dinge viel zu kompliziert“ sagte er gerade in einem Interview mit der FAZ. Sein Credo: Nicht warten, bis es für alle Befunde eine standardisierte Datenstruktur gibt, sondern endlich richtig loslegen. Und wenn es für den Anfang PDF-Dateien sind, die in der ePA gespeichert werden, will er damit auch leben. Klingt vernünftig. Mal sehen, wie das dann in der Praxis aussehen wird. Bis Ende 2024 soll es soweit sein.

Ghostwriter ChatGPT

Die Tagesschau sinniert drüber „wenn der Chatbot den Aufsatz schreibt“ und der stern berichtet: „Universitäten und Schulen wollen Gebrauch von ChatGPT eindämmen“.

Nun haben wir in den letzten Wochen Meldungen dieser Art häufig gelesen. Schüler freuen sich, aber Agenturen und Verlage fürchten schon das Ende ihrer Existenz. Alle zukünftigen Fragen wird die KI beantworten und die entsprechenden Artikel verfassen. Bevor wir uns ebenfalls dem Schicksal ergeben und alle Blogbeiträge künftig ChatGPT überlassen, mal eine ganz pragmatische Frage, die die KI selbst beantworten darf:

Sind die Texte, die von ChatGPT verfasst werden, urheberrechtlich geschützt?

ChatGPT: Ja, die Texte, die von ChatGPT generiert werden, sind urheberrechtlich geschützt. Die zugrunde liegende Technologie und die Daten, die zur Erstellung von ChatGPT verwendet wurden, sind das geistige Eigentum von OpenAI und seinen Partnern. Die generierten Texte stellen eine einzigartige Kombination von Wörtern und Sätzen dar, die von ChatGPT generiert wurden, und daher genießen sie den gleichen Schutz wie jedes andere urheberrechtlich geschützte Werk. Es ist wichtig, die Urheberrechte von ChatGPT und OpenAI zu respektieren und die generierten Texte nur im Rahmen der von OpenAI festgelegten Nutzungsbedingungen zu verwenden. Die korrekte Zitierung wäre übrigens so: (ChatGPT-Modell, erstellt am 22. Februar 2023).

Nur: ist diese Antwort so eindeutig in Deutschland gültig? Schließlich unterscheidet sich das amerikanische Copyright doch deutlich vom deutschen Urheberrecht, denn „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen“. Hier sollte der Gesetzgeber schnellsten Klarheit schaffen.

Chronologie eines Desasters

Peter Schaar ist eine Institution des Datenschutzes. Als Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat er zwischen 2003 und 2013 zehn Jahre Missstände in der Informationsverarbeitung aufgedeckt. Seit 2016 leitet er die Schlichtungsstelle der gematik. Schaar ist ein Insider, der sämtliche Facetten der Branche kennt.

In seinem aktuellen Buch hat er sich die Telematikinfrastruktur vorgenommen und schon die Kapitelüberschriften lesen sich wie die Chronologie eines Desasters: Der lange Weg zur Gesundheitskarte, Selbstverwaltung – Selbstblockade?, Von der eCard-Strategie zur TI 2.0. Und im Vorwort ergänzt Schaar: „Ich habe darauf verzichtet, die jüngsten Diskussionen im Detail nachzuvollziehen.“

Warum sollte er auch? Der immer weiter verschobene Start des E-Rezeptes und das Konnektor-Chaos bestätigen nur, was Schaar an Informationen aus den letzten 20 Jahre zusammen getragen hat: Jeder für sich und alle gegen alle. Und man mag kaum glauben, dass es schon 20 Jahre her ist, dass die Digitalisierung mit dem Planungsauftrag von Ulla Schmidt 2003 ihren Lauf nahm. Das war eine Zeit, in der es weder Smartphones noch Cloud-Computing gab. Ein Teil des Desasters besteht ja auch darin, dass man an manchen Ideen von damals noch immer festhält – obwohl die Realität sich dramatisch verändert hat.

Erfreulicherweise entwickelt Schaar zum Schluss auch Lösungsansätze, wie man das völlig vermurkste Projekt doch noch retten könnte. Und denkt dabei europäisch. Man kann nur hoffen, dass der eine oder andere Politiker das Buch liest. Denn auf diese Lösung wird die deutsche Selbstverwaltung auch in den nächsten 20 Jahren noch nicht kommen.

Peter Schaar. Diagnose Digital-Desaster: Ist das Gesundheitswesen noch zu retten? Hirzel-Verlag 2023; Kindle Ausgabe 21,90 Euro

Medizinexamen? Kein Problem für ChatGPT!

Die Autoren einer aktuellen PLOS-Veröffentlichung haben die Leistung der KI namens ChatGPT beim United States Medical Licensing Exam (USMLE) bewertet. Dieses besteht aus drei Teilprüfungen.

ChatGPT erreichte bei allen drei Prüfungen ohne spezielles Training die Bestehensgrenze oder lag nahe daran. Darüber hinaus zeigte ChatGPT ein hohes Maß an Übereinstimmung und Einsicht in seine Erklärungen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass KI-Anwendungen dieser Art das Potenzial haben, bei der medizinischen Ausbildung und möglicherweise auch bei der klinischen Entscheidungsfindung zu helfen.

Das sagt aber auch eine Menge über diese Art der medizinischen Examina aus, denn Auswendiglernen wird belohnt – kritisches Denken nicht. Für manche Hochschullehrer leitet sich jetzt schon daraus ab, die Art und Weise der Studentenausbildung und -bewertung einmal zu überdenken.

Originalpublikation:

CKung TH, Cheatham M, Medenilla A, Sillos C, De Leon L, Elepaño C, et al. (2023) Performance of ChatGPT on USMLE: Potential for AI-assisted medical education using large language models. PLOS Digit Health 2(2): e0000198.

Link

KI in der Medizin – wann wird’s ernst?

ChatGPT ist der neue Star der Künstlichen Intelligenz (KI). Letzte Woche hatten wir Ihnen die Fähigkeiten anhand eines älteren Blogbeitrags gezeigt und ich muss sagen: Treffender hätte ich als Autor des Original-Blogs das auch nicht zusammenfassen können. ChatGPT kann zudem gute Antworten zu allgemeinen Fragen liefern und und so fragt der Boulevard gleich: Ersetzt KI jetzt den Arzt?

Doch hier sind die Hürden ungleich höher. Denn bei allen erstaunlichen Fähigkeiten von ChatGPT muss man auch sagen: Bei fachspezifischen Themen liegt das Programm oft noch weit daneben, klingt aber trotzdem sehr überzeugend. Natürlich werden nächste Versionen noch besser, wenn sie mit mehr medizinischen Daten gefüttert werden. Aber auch das ist keine Garantie für bessere Ergebnisse.

Stand heute muss man davon ausgehen, dass KI in den nächsten Jahren in der Medizin vor allem bei der Musterkennung Dienst tun wird, etwa bei Röntgenaufnahmen oder histologischen Schnitten. Als Chatpartner für medizinische Fragen wird ChatGPT sich womöglich über die automatisierte Auswertung von strukturierten Daten wie ICD-Codes nach oben arbeiten müssen.

Wie lange das dauert, ist schwer abzusehen. Manchmal gehen Dinge erstaunlich schnell, manchmal braucht es auch eine gefühlte Ewigkeit. Ein gutes Beispiel für „sprunghafte“ Entwicklungen ist die Spracherkennung (Speech to Text). Noch vor der Jahrtausendwende existierten Programme wie ViaVoice von IBM, die als „Diktiergeräte“ editierbaren Text lieferten. Aber selbst bei deutlichster Aussprache und nach langem Training waren die Fehlerquoten hoch.

Daran hat sich über fast 15 Jahre praktisch nichts geändert – was sicher auch daran lag, dass die Nachfrage nach solcher Software sich in Grenzen hielt. Erst die Smartphones und Alexas in den 2010er-Jahren verhalfen der Sprachsteuerung zum Durchbruch. Wenn ich heute Siri einen Text diktiere, muss ich kaum mehr nachbessern. Trotzdem steht ab und an auch völliger Blödsinn in einem Satz – weil der Algorithmus einen anderen Zusammenhang vermutet hat als ich es gemeint hatte …

Und darin liegt das Problem:  Der Sinn eines Textes bleibt dem System verborgen. Ich wage mal die Prognose, dass es noch mehr als 10 Jahre dauern wird, bis medizinische KI-Systeme mit umfangreichen Datensätzen so trainiert sind, dass sie als vollwertige Gesprächspartner taugen. Und wie lange es dann noch dauern kann, bis eine erprobte Technologie medizinischer Alltag wird, zeigt die elektronische Patientenakte …