Jahresrückblick 2021 – erster Teil

Als Autor dieser Zeilen ist man fast geneigt, Letztjähriges zu recyceln. Vielstimmige Expertenmeinungen, Impfstoffdiskussionen aber auch Zuversicht – all diese Begriffe begleiteten uns auch im fast vergangenen Jahr 2021. Die Pandemie hat die Menschen nach wie vor im Griff – aber scheint ein wenig von dem Schrecken verloren zu haben, denn bundesweite Inzidenzen von über 400 hätten vor einem Jahr noch panische Ängste hervorgerufen. Nun hat man sich offenbar damit arrangiert: „Ein Mensch  kann sich an alles gewöhnen, man muss ihm nur genügend Zeit lassen“ schrieb ganz richtig der Romanautor N. Sparks. Nun ja, die Impfstoffe haben sicherlich dabei geholfen.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse konnten wir im Jahr 2021 im MedicalLearning-Blog dokumentieren?

Die medizinische Aus-, Weiter- und Fortbildung ist eindeutig digitaler geworden. Der Trend des letzten Jahres bestätigte sich, ärztliche Fortbildungen in Form eines Webinars sind Alltag geworden; Messeveranstaltungen waren ebenso betroffen und wurde aus dem Homeoffice besucht. Auch die Pharmaindustrie denkt um, Außendienste werden neu strukturiert und setzen vermehrt auf digitale Werkzeuge.

Manche technologische Entwicklung nimmt in den Gesundheitsberufen weiter Fahrt auf. Lernen wird unterstützt durch den Einsatz neuer Realitäten: Augmented Reality wird in der Hebammenausbildung erprobt, Tangible AR steht für CME-Fortbildungen bereit. Das Lernen scheint eine neue Evolutionsstufe zu erreichen.

Apps blieben in der Corona-Bekämpfung ein heißes Thema: sie sollten z.B. der Berechnung des Corona-Risikos in Innenräumen dienen, waren aber auch Teil einer kritischen Diskussion.

Künstliche Intelligenz findet im medizinischen Umfeld mehr und mehr Anwendungen, sei es im dermatologischen, ophthalmologischen Fachgebiet oder bei der Prognose individueller Sterblichkeit. Mit der Bedeutung der Künstlichen Intelligenz für die medizinische Fortbildung und für die Erstellung von CME-Kursen wird sich MedicalLearning im nächsten Jahr intensiver beschäftigen.

Der zweite Teil unseres Jahresrückblicks folgt in der nächsten Woche.

App-Hilfe in der Corona-Krise?

Was ist Ihnen wichtiger: Gesundheit oder Datenschutz? Zugegeben eine verkürzte Zusammenfassung der derzeitigen Diskussion rund um die Einführung von „Corona-Überwachungs-Apps“, die in den letzten Tagen in zahllosen Beiträgen diskutiert wurde. Handy-Ortung wäre ein Mittel, wenn es nach dem Gesundheitsminister geht. Eine freiwillige App scheint vielen besser zu gefallen. Was machen denn andere Länder?

In Österreich bietet das Rote Kreuz seit letzter Woche seine „Stopp Corona-App“ an, um die Infektionskette der Corona-Infektionen schnellstmöglich zu unterbrechen. Dazu dient als Kernstück ein Kontakt-Tagebuch, indem persönliche Begegnungen mittels „digitalem Handshake“ anonymisiert gespeichert werden. Treten bei einer Person dann Symptome einer Corona-Erkrankung auf, wird man als Kontakt automatisch benachrichtigt und gebeten, sich selbst zu isolieren.

Irlands Gesundheitsbehörde möchte demnächst eine App anbieten, die per Bluetooth Ansteckungsverläufe nachvollziehen kann. Alle Smartphones aller Nutzer verbinden sich automatisch. Freiwillige Vernetzung.

Apps in China sind da schon etwas robuster, denn sie erstellen individuelle Interaktions- und Bewegungsprofile, bewerten das Infektionsrisiko, sollen u.a. den Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln steuern.

In Israel vergleicht eine Geolokalisations-App die Nutzerdaten mit Informationen über den Aufenthaltsort von positiv auf Corona getesteten Personen, bei Matching der Daten wird alarmiert und Quarantäne angeordnet.

Tschechien möchte das Bewegungsprofil positiv Getesteter anhand von Mobiltelefondaten, aber auch der Kreditkartennutzung nachverfolgen.

Russland setzt eher auf Gesichtserkennung. Die Moskauer Polizei, so wird zitiert, habe 200 Personen gefasst und zu einer Geldstrafe verurteilt, die gegen die Quarantäne und die Selbstisolierung verstoßen hätten. Möglich wird dies durch ein System mit 170.000 Kameras.

Welcher Ansatz bieten die besten Chancen, die Infektionskette zu unterbrechen? In ein paar Wochen werden wir es besser einschätzen können.

Migräne-App hilft

50 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Kopfschmerzen, vier Millionen sogar täglich. Eine aktuelle Studie (1.464 App-Nutzer, online befragt) der Schmerzklinik Kiel und der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt: Bei Einsatz einer Migräne-App lassen sich Schmerztage deutlich reduzieren. So leiden die Nutzer einer solchen App der TK im Schnitt rund drei Tage im Monat weniger an Kopfschmerzen als ohne Nutzung der App – durchschnittlich an 10 statt 13,3 Tagen im Monat (minus 25 Prozent).

App-Nutzung reduziert Medikamententage
„Die Studie zeigt deutlich, dass die Patienten von der Begleitung ihrer Behandlung mit der Migräne-App profitieren. Sie haben weniger Kopfschmerztage pro Monat, und auch die Notwendigkeit für die Einnahme von Akutmedikamenten gegen Kopfschmerzen nimmt ab“, fasst Prof. Dr. Hartmut Göbel, ärztlicher Direktor der Schmerzklinik Kiel, die Studienergebnisse zusammen. Zum Vergleich: Die meisten vorbeugenden Kopfschmerzpräparate reduzieren die Anzahl der Kopfschmerztage im Mittel um ein bis zwei Tage pro Monat. Der Vorstandsvorsitzende der TK, Dr. Jens Baas, sagt: „Die Migräne-App zeigt, dass gut gemachte digitale Angebote in der Gesundheitsversorgung wirklich etwas bringen.“ Die App habe einen spürbaren Mehrwert für den Patienten.

5,3 Millionen weniger Kopfschmerztage pro Jahr
„Hochgerechnet auf alle Nutzer der App, lässt sich bei aktuell 136.000 Downloads die Reduktion der Kopfschmerztage auf 5,3 Millionen Tage pro Jahr beziffern“, so Schmerzexperte Göbel. Die Untersuchung belegt auch, dass die App die ärztliche Behandlung unterstützt und die digitale Medizin in der modernen ärztlichen Sprechstunde angekommen ist. Sieben von zehn befragten Nutzern (71 Prozent) bringen die Migräne-App zum Arztbesuch mit. 58 Prozent nutzen die App-Ergebnisse, um gemeinsam mit ihrem Arzt über die Therapie zu entscheiden, insbesondere um die Medikation anzupassen. 76 Prozent sagen, dass die App ihnen dabei hilft, ihren mit dem Arzt erstellten Behandlungsplan einzuhalten. Zudem ziehen 80 Prozent die App-Lösung einem herkömmlichen Schmerztagebuch auf Papier vor.

Das leistet die Migräne-App
Die Migräne-App der TK unterstützt Patienten mit chronischen Kopfschmerzen dabei, ihren Krankheitsverlauf digital genau zu dokumentieren, mit wenigen Klicks zu analysieren und zu kontrollieren. Außerdem informiert sie die Nutzer und schlägt auf der Grundlage der eingegebenen individuellen Daten Verhaltensmaßnahmen vor. Überschreitet der Nutzer beispielsweise die maximal erlaubte Akutmedikation von höchstens neun Tagen im Monat, erhält er einen Warnhinweis. Den Patienten stehen zudem umfangreiche Informations- und Selbsthilfetools zur Verfügung. Damit können sie zum Beispiel einen Schmerzspezialisten in der Nähe finden, direkt auf den TK-Kopfschmerzcoach zugreifen oder unter Anleitung bei Progressiver Muskelentspannung entspannen.

Digitale Orientierung: Migräne-Aura oder Schlaganfall?
Seit dem Frühjahr enthält die Migräne-App zudem die Simulation einer Migräne-Aura. Sie zeigt wie visuelle Störungen bei Migräne-Attacken aussehen. Das sei wichtig, da die Symptome häufig mit denen eines Schlaganfalls verwechselt würden, erläutert Neurologe Göbel. Die Nutzer wissen das zu schätzen: 40 Prozent der Befragten lobten, dass sie damit erstmals anderen verständlich machen können, wie sich das Sichtfeld bei einer Migräne-Aura einschränkt.

Nach einer Pressemitteilung der Techniker Krankenkasse von August 2018

Gesundheits-Apps – Individualität ist zentrales Element

Gesundheits-Apps setzen zunehmend auf individuelle Aspekte, den individuellen Gesundheitszustand einer Person. Individuelle Tools, wie z.B. die App „MySunCheck“ dienen dem Schutz vor Sonnenbrand, frühzeitiger Hautalterung und Hautkrebs. Auf der Grundlage des aktuellen User-Standortes und den Einstellungen zum individuellen Hauttyp, dem jeweiligen Bewölkungszustand vor Ort und der Aufenthaltsdauer im Freien wird der notwendige Lichtschutzfaktor (LSF-Wert) eines Sonnenschutzmittels berechnet.
Erste Ankündigungen lassen erwarten, dass zukünftig vermehrt technische Lösungen zur biometrischen Analyse individueller Fakten angeboten werden. So zum Beispiel stellte die L’Oréal-Gruppe auf der CES in Las Vegas jüngst einen Hautsensor vor, der in Kombination mit der App „My UV Patch“ die tatsächliche Exposition mit UV-Strahlen ermittelt. Im Sinne des individuellen Gesundheitsschutzes sind diese Entwicklungen zukunftsweisend.

Wozu werden Gesundheits-Apps bislang eingesetzt? Kostenlose deutschsprachige Gesundheits-Apps dienten 2014 vor allem der „Dokumentation“ von Gesundheitsdaten. Spitzenreiterin diesem Einsatzbereich war das Thema „Diabetes“. Im Anwendungsbereich „Interaktive Infovermittlung“ erreichten „Raucher-Apps“ eine besonders hohe Nutzung, gefolgt von „Impf-und Vorsorge-Informationen“.
Auch beim „Austausch zwischen Arzt und Patient“ finden Apps zunehmend Einsatz. Hier vor allem im Bereich von Diabetes-Erkrankungen. Es scheint sich ein Wandel abzuzeichnen: Bewährte Tagebücher mit Notizen zum Symptomverlauf z.B. bei Asthma oder Allergie, die bei der Beratung durch den Arzt als Grundlage dienen, werden zunehmend vom App-Format abgelöst.

Quellen:
www.statista.de, Pressemitteilung L’Oreal (http://www.loreal.com/media/news/2016/jan/discover-loreals-new-innovation-my-uv-patch)

Verwandte Blogs:
CES-Bedeutung für die Medizin, vom 15.01.2016