Ist Dr. med. Google zuverlässig?

Die Suchmaschinen Google und das russische Yandex sind keine zuverlässigen Quellen für Gesundheitsinformationen. Häufig enthalten die kleinen Textschnipsel, die als Vorschau für Suchergebnisse angezeigt werden, fehlerhafte oder mangelhafte Angaben. Besonders problematisch sind die Informationen zu Hausmitteln oder sogenannten alternativen Behandlungsmöglichkeiten, wie Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Uralischen Föderalen Universität in Russland herausgefunden haben. Sie plädieren deshalb für deutlichere Warnhinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken.
Das deutsch-russische Forschungsteam nutzte für die Studie ein Archiv von rund 1,5 Milliarden Suchanfragen der Suchmaschine Yandex, die in Russland sehr weit verbreitet ist. Mit Hilfe der Online-Wissensdatenbank Wikidata und der „internationalen Klassifikation der Krankheiten“ (ICD) der Weltgesundheitsorganisation filterten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jene Anfragen heraus, in denen Symptome, Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten vorkamen. Das waren insgesamt 1,2 Millionen. Die Forschenden identifizierten ungefähr 4.400 Krankheiten und Symptome sowie 1.000 medizinisch genutzte Pflanzen und andere Hausmittel, nach denen gesucht wurde. „Am häufigsten ging es um eher private, alltägliche Themen wie Schwangerschaft oder Intimkrankheiten. Insgesamt wurde auch häufiger nach der Behandlung von Akne oder Cellulite als nach Krebs gesucht“, sagt der Informatiker Alexander Bondarenko von der MLU. Die meisten Fragen fielen in eine von zwei Kategorien: Entweder wollten die Nutzerinnen und Nutzer wissen, ob ein bestimmtes Mittel gegen eine Krankheit hilft. Oder sie suchten danach, wie ein Mittel bei einer Krankheit anzuwenden ist. „Im zweiten Fall wird also bereits davon ausgegangen, dass ein Mittel hilft, obwohl das längst nicht immer erwiesen ist“, erläutert Dr. Pavel Braslavski, Senior Researcher und Dozent von der Uralischen Föderalen Universität.
In einem zweiten Schritt überprüfte das Team, wie Yandex und Google auf die 30 häufigsten Fragen antworteten. Analysiert wurden dafür jeweils die ersten zehn sogenannten Antwort-Snippets. Das sind die kleinen Textteile, die eine Suchmaschine für alle Treffer als kurze Vorschau anzeigt. Anschließend wurde unter anderem der Wahrheitsgehalt der Schnipsel kontrolliert und ob diese Warnhinweise zu möglichen Gesundheitsrisiken enthielten. Grundlage für die Bewertung war eine Recherche zu allen untersuchten Krankheiten und Mitteln in den Datenbanken für medizinische Studien „Cochrane“, „PubMed“ und „BioMed Explorer“. Diese wurde von einer Ärztin durchgeführt.
Yandex gab in 44 Prozent der Fälle fälschlicherweise an, dass ein Mittel gegen eine bestimmte Krankheit wirkt, obwohl dafür keine wissenschaftliche Grundlage existiert. Bei Google waren es knapp ein Drittel der Fälle. Hinweise auf potenziell giftige Substanzen fand das Team nur in 13 beziehungsweise 10 Prozent der Fälle. „Die Angaben aus den Snippets tendieren dazu, bereits vorhandene Meinungen zu bestätigen und liefern viel zu selten Warnungen zu möglichen Risiken“, so Bondarenko. Das sei besonders problematisch, weil frühere Studien gezeigt haben, dass Menschen dazu tendieren, an die Wirkung bestimmter Mittel zu glauben, auch wenn es dafür keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Die Forschenden plädieren deshalb dafür, Suchmaschinenergebnisse zu medizinischen Fragen mit deutlicheren Warnhinweisen auf mögliche gesundheitliche Risiken auszustatten.

(Quelle: Pressemeldung der Martin-Luther-Universität, November 2021, gekürzt)

 

Google: KI für den Hautpatienten

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist uns in diesem Blog schon häufiger begegnet. Zweifelsohne besteht das Potenzial, Ärzte bei der Betreuung von Patienten zu unterstützen – dies wurde z.B. schon beim Brustkrebs-Screening oder der Tuberkulose-Erkennung gezeigt. Wir hatten auch schon früher über die Anwendung von KI im dermatologischen Umfeld und die Bemühungen von Google berichtet.

Google setzt nun KI ein, um den Patienten mit seiner Smartphone-Kamera in den Prozess einzubinden. Das „KI-gestützte Dermatologie-Assistenz-Tool“ benötigt drei Fotos von der Haut, den Haaren oder den Nägeln aus verschiedenen Blickwinkeln. Dann werden dem User Fragen gestellt, die bei der Eingrenzung helfen sollen (Hauttyp, Dauer der Symptome etc.). Die Künstliche Intelligenz analysiert, greift auf Informationen zu fast 300 Erkrankungen zurück und erstellt eine Liste „passender“ Erkrankungen. Laut Google Health verfügt die Datenbank über etwa 65.000 Bilder und Falldaten von diagnostizierten Hauterkrankungen, Millionen von kuratierten Bildern von Hautproblemen und Tausende von Beispielen gesunder Haut.

Das Tool soll (noch) nicht den Arzt ersetzen und soll keine Diagnosen stellen – nur Informationen anbieten. Google verzeichnet pro Jahr fast zehn Milliarden Suchanfragen zu dermatologischen Themen; eine gute Grundlage für dieses KI-Konzept. Wer sich für das Tool interessiert, findet hier weitere Informationen.

Aktueller Beitrag zum Thema: Development and Assessment of an Artificial Intelligence–Based Tool for Skin Condition Diagnosis by Primary Care Physicians and Nurse Practitioners in Teledermatology Practices JAMA Netw Open. 2021;4(4):e217249. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.7249

Künstliche Intelligenz bei Koloskopie-Screenings

Darmkrebs ist ein weltweit verbreitet und z.B. in der USA die zweittödlichste Krebsart mit geschätzten 900.000 Todesfälle jährlich. Die Koloskopie gilt als das Goldstandard-Verfahren für die Erkennung und Entfernung von Polypen.

Google hat kürzlich ein Paper veröffentlicht, in dem sie einen von ihnen entwickelten Algorithmus beschreiben.

Dieser C2D2-Algorithmus führt eine lokale 3D-Rekonstruktion des Dickdarms durch, während Bilder während des Eingriffs aufgenommen werden, und identifiziert auf dieser Grundlage, welche Bereiche des Dickdarms abgedeckt wurden und welche außerhalb des Sichtfeldes blieben. C2D2 kann dann in Echtzeit anzeigen, ob ein bestimmter Bereich des Dickdarms eine mangelhafte Abdeckung aufweist, so dass der Endoskopiker zu diesem Bereich zurückkehren kann.

Quelle: Using Machine Learning to Detect Deficient Coverage in Colonoscopy Screenings

 

Projekt Nightingale

Aktuell wurden in der Presse Gesundheits-Websites kritisiert, die ihre Daten an Google, Facebook und Amazon weitergegeben würden – ohne Einverständnis der User und entgegen der Rechtslage.

Besonders im Fokus dabei: da Google-Projekt „Nightingale“. Die Headlines klingen besorgniserregend. Einige Beispiele: Project Nightingale: Google erhält Zugriff auf Millionen Patientendaten (e-recht24.de am 18.11.2019) oder Project Nightingale: Google geht auf Patientenjagd (heise.de vom 13.11.2019) oder PROJEKT NIGHTINGALE: Google wertet Daten von Millionen US-Patienten aus (golem.de vom 12.11.2019).

Worum geht es bei dem Projekt? Ein Google-Ableger arbeitet mit der Firma Ascension zusammen, diese betreibt in den USA Krankenhäuser, Arztpraxen etc. Die (Patienten-)-Daten werden mithilfe einer künstlichen Intelligenz analysiert, Zielsetzung ist die Verbesserung der Behandlung und die Verminderung der Kosten.

Die Kritiker sorgen sich um Datenschutz und Datenmissbrauch. Dem jüngst ins Leben gerufenen Projekt von Gesundheitsminister Spahn, Daten der Kassenpatienten anonym auszuwerten, wird es da ganz ähnlich gehen.

 

Deep Learning zur Differenzialdiagnose bei Hautkrankheiten

Schätzungsweise 1,9 Milliarden Menschen weltweit leiden an einer Hauterkrankung. Allein in den Vereinigten Staaten leiden bis zu 37% der in der Klinik behandelten Patienten an mindestens einer Hauterkrankung, und mehr als die Hälfte dieser Patienten wird von Nicht-Dermatologen begutachtet.  Studien zeigen jedoch eine signifikante Lücke in der Genauigkeit der Hautzustandsdiagnosen zwischen Allgemeinmedizinern und Dermatologen, wobei die Genauigkeit von Allgemeinmedizinern zwischen 24% und 70% liegt, verglichen mit 77-96% bei Dermatologen. Dies kann zu suboptimalen Überweisungen, Verzögerungen bei der Pflege und Fehlern bei Diagnose und Behandlung führen.

Bestehende Strategien für Nicht-Dermatologen zur Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit umfassen die Verwendung von Referenzlehrbüchern, Online-Ressourcen und die Konsultation eines Kollegen. Es wurden auch maschinelle Lernwerkzeuge entwickelt, um die diagnostische Genauigkeit zu verbessern. Frühere Forschungen konzentrierten sich weitgehend auf die Früherkennung von Hautkrebs, insbesondere darauf, ob eine Läsion bösartig oder gutartig ist oder ob es sich bei einer Läsion um ein Melanom handelt. 90% der Hautprobleme sind jedoch nicht bösartig.

Es wurde nun ein Deep Learning System (DLS) entwickelt, um die häufigsten Hauterkrankungen in der Primärversorgung zu behandeln. Die Ergebnisse zeigten, dass ein DLS bei 26 Hautzuständen eine Genauigkeit erzielen kann, die mit den von US-amerikanischen Behörden zertifizierten Dermatologen vergleichbar ist, wenn identische Informationen zu einem Patientenfall (Bilder und Metadaten) vorliegen. Diese Studie hebt das Potenzial des DLS hervor, die Fähigkeit von Allgemeinärzten, die keine zusätzliche Spezialausbildung hatten, zur genauen Diagnose von Hautzuständen zu steigern.

Quelle: Google AI Blog vom 12.08.2019 (gekürzt, redigiert)

https://ai.googleblog.com/2019/09/using-deep-learning-to-inform.html

Künstliche Intelligenz in der Augenheilkunde

Künstliche Intelligenz hat sich bei der Klassifizierung zweidimensionaler Fotografien einiger häufiger Krankheiten als vielversprechend erwiesen. Sie stützt sich in der Regel auf Datenbanken mit Millionen kommentierter Bilder. In diesem Blog haben wir bereits über Anwendungen in der Dermatologie berichtet.

Die Autoren des Beitrags „Clinically applicable deep learning for diagnosis and referral in retinal disease“, erschienen in dem Journal nature medicine, haben eine neuartige Deep-Learning-Architektur (wieder einmal Google-Technologie) in der klinischen Routine eingesetzt.

Das System ist in der Lage, 3D-Retina-OCT-Scans auf frühe Anzeichen von Glaukomen, diabetischen Augenerkrankungen und Makuladegeneration hin zu analysieren.

Man hofft, dass das KI-System dazu beitragen kann, das Sehvermögen der Patienten zu retten und erwartet eine weltweite Einführung dieses diagnostischen Werkzeugs.