Google-KI: Med-PaLM2

Google plant, den Zugang zu seinem Sprachmodell Med-PaLM 2, das speziell für medizinische Informationen trainiert wurde, für Kunden im Gesundheits- und Life-Sciences-Bereich von Google Cloud zu erweitern. Ein begrenzter Kundenkreis testet die KI, genannt Med-PaLM 2, seit April, darunter das gewinnorientierte Krankenhausunternehmen HCA Healthcare, die Non-Profit-Organisation Mayo Clinic und der Anbieter von elektronischen Gesundheitsakten Meditech.

Med-PaLM hat sich als erstes KI-System durch das Bestehen von Fragen im Stil der US-amerikanischen medizinischen Lizenzprüfung hervorgetan. Das Hauptziel dieses Modells ist es, medizinisches Personal wie Ärzte und Pflegekräfte in ihren Arbeitsabläufen zu unterstützen und nicht zu ersetzen.

Trotz des Potenzials der KI gibt es Bedenken hinsichtlich der ethischen Nutzung, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Patienteneinwilligung. Google hat jedoch klargestellt, dass Med-PaLM 2 nicht auf der Grundlage von Patientendaten trainiert wird und die Datenkontrolle bei den Kunden bleibt.

Large Language Models (LLM): Revolution des Medical Writing?

Die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Ein herausragendes Beispiel dafür ist ChatGPT, ein hochentwickeltes Large Language Model (LLM) von OpenAI, das die Landschaft des Medical Writing revolutioniert. Ein LLM wie ChatGPT ist ein Sprachverarbeitungsmodell, das auf der Transformer-Architektur basiert und mit einer Vielzahl von Texten aus dem Internet trainiert wurde. Es ist in der Lage, menschenähnliche Texte zu erzeugen und auf eine Vielzahl von Anfragen zu antworten. Aber wie kann dieses Modell im Bereich des Medical Writing eingesetzt werden?

Zunächst kann ein LLM als effizientes Werkzeug zur Erstellung medizinischer Berichte und Dokumente dienen oder es kann bei der Erstellung medizinischer Zusammenfassungen und sogar wissenschaftlicher Artikel helfen:

  • Literaturrecherche, Durchsuchen von Datenbanken und Quellen
  • Schreibassistent bei der Erstellung erster Entwürfe von Artikeln
  • Überprüfung und Bearbeitung, bzgl. Inkonsistenzen, Wiederholungen und grammatikalische Fehler, Vorschläge zur Verbesserung der Klarheit und Kohärenz des Textes
  • Zusammenfassung komplexer Forschungsergebnisse
  • Erstellung von Referenzen und Zitaten

CAVE: Trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten ist es wichtig, sich der Grenzen von LLMs wie ChatGPT bewusst zu sein. Sie sind KI-Modelle und können daher Fehler machen oder Informationen falsch interpretieren. Sie sollten immer als zusätzliche Werkzeuge betrachtet werden, die medizinische Fachkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen, und nicht als Ersatz für menschliches Fachwissen und Urteilsvermögen.

ChatGPT: Ein einfaches Beispiel

Künstliche Intelligenz hat schon seit Jahren in zahlreichen Anwendungen Einzug in verschiedene Lebensbereiche erfahren, doch nun hat ChatGPT einen wahren Hype ausgelöst – nicht zuletzt aufgrund der starken medialen Resonanz in den letzten Wochen. Und selbstverständlich fragen auch ausgewiesene Nicht-Experten sofort nach möglichen Einsatzgebieten dieser KI – wie z. B. in der Medizin.

Dieser speziellen Frage werden wir uns in nachfolgenden Beiträgen widmen – das Thema KI wird uns also noch eine Weile begleiten. Jetzt wollen wir an einem einfachen Beispiel zeigen, welche Resultate diese KI heute liefern kann.

Vor einigen Wochen erschien hier in unserem Blog ein Beitrag zu einer Rede des Bundesgesundheitsministers. Nun haben wir ChatGPT die Aufgabe gestellt den ursprünglichen Text in zwei Sätzen zusammenzufassen. Hier das erste Ergebnis:

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach bei der Digital Health Conference über seine Pläne für die Telematikinfrastruktur und kündigte ein großes Digitalisierungsgesetz für die erste Hälfte 2023 an. Lauterbach setzt auf eine Cloud- und Smartphone-basierte Informationslandschaft und bevorzugt die Opt-out-Variante bei der elektronischen Patientenakte, da sie sonst nicht in der Fläche ankommen würde.

Die Bearbeitungszeit betrug übrigens weniger als 10 Sekunden.

Abschließend der Beitrag zum Vergleich in voller Länge:

DER TIGER UND DIE ZUKUNFT DER TELEMATIK

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gibt Gas. Vor zwei Wochen hatten wir seine Pläne für die onkologische Versorgung vorgestellt, die er auf dem Deutschen Krebskongress präsentiert hatte. Auf der Digital Health Conference des Branchenverbandes bitkom hat er letzte Woche jetzt ausführlich über seine Pläne für die Telematikinfrastruktur gesprochen.

Die Kernbotschaft: Den Konnektoren gehört die Vergangenheit und ein Stück weit noch die Gegenwart, die Zukunft aber einer Cloud- und Smartphone-basierten Informationslandschaft. „Die Infrastruktur ist oft veraltet, bevor sie genutzt wird“, stellte der Minister dabei treffend fest und kündigte ein großes Digitalisierungsgesetz für die erste Jahreshälfte 2023 an.

Den wichtigsten Punkt für die Umsetzung hatte er schon beim DKK herausgehoben: die Opt-out-Variante bei der elektronischen Patientenakte (ePA). Mit der einleuchtenden Begründung: „Sonst würde die ePA niemals in der Fläche ankommen“. Dass solche Rechnungen aufgehen, zeigt das Beispiel Finnland. Von rund 5 Millionen Bürgern, die krankenversichert sind, haben bei der Einführung der dortigen ePA weniger als 100 von der opt-out-Regelung Gebrauch gemacht.

Und beim Zeitplan heißt es jetzt: Bitte anschnallen. Noch in dieser Legislaturperiode soll es soweit sein und die ePA dann für alle Versicherten automatisch eingerichtet werden, so der Minister. Das habe die Gesellschafterversammlung der gematik am letzten Montag entschieden. Vergleicht man das mit den Fortschritten der letzten 20 Jahre, ist außerordentlich ambitioniert für den Zeitplan sicher noch maßlos untertrieben.

Und man braucht kein Prophet sein um zu ahnen, dass dieses Projekt am Ende der Legislaturperiode maßgeblich für das „Arbeitszeugnis“ sein wird. Schafft Lauterbach das, wird er als DER Digitalisierer in die Ministeriumsgeschichte eingehen. Ansonsten wird das gleiche gelten, wie für seine Vorgänger: Als Tiger gestartet und als Bettvorleger geendet.

Jahresrückblick 2022

Am Ende des letzten Jahres hatten wir schon vermutet, dass die Corona-Pandemie etwas von ihrem Schrecken verloren habe. Das war richtig. Dafür kamen allerdings auf die Gesellschaft ganz neue Schrecken zu, die sich vor einem Jahr noch niemand erträumt hatte. Nur zwei Stichworte: Ukraine, Gasmangellage.

Fokussieren wir uns besser auf die Themen, die uns in diesem Jahr Gelegenheit gegeben haben, wieder einige Zeilen in diesem Blog zu füllen. Die Pandemie hat, wenn auch der Virus-Ursprung noch unklar ist, die Nutzung medizinischer Informationsangebote dauerhaft verändert und die digitale Fortbildung in all ihrer Vielfalt beflügelt. Videosprechstunden gewinnen an Boden, neue Medizin-Apps kommen zu dem bereits jetzt fast unüberschaubaren Angebot hinzu. Künstliche Intelligenz wird das prognostizierte Top-Thema werden, denn Angebote wie ChatGPT schreien ja förmlich nach einem Einsatz im medizinischen Umfeld.

Die Frage, ob die Digitalisierung des Gesundheitswesens Fluch oder Segen ist, gehörte auch 2022 zu den Kernthemen dieses Blogs. Über das Chaos beim Konnektor-Update haben wir mehrfach berichtet – ein weiterer unschöner Aspekt in der endlosen Geschichte der elektronischen Gesundheitskarte und ihrer Infrastruktur. Wir blicken schon jetzt mit hohen Erwartungen auf das große Digitalisierungsgesetz, dass Minister Lauterbach für die erste Jahreshälfte 2023 auf der Digital Health Conference des Branchenverbandes bitkom im letzten Monat angekündigt hatte.

Was wird Sie im nächsten Jahr noch erwarten? Neue Gastautoren werden in unserem MedicalLearning-Blog ihre Erkenntnisse und Meinungen mit uns teilen. Wir, die Herausgeber, freuen uns schon auf die Unterstützung und neue Sichtweisen.

Und nun verabschieden wir uns erst einmal in die Winterpause. Ab dem 16. Januar 2023 sind wir wieder mit neuen Beiträgen für Sie da. Wir wünschen Ihnen eine entspannte Zeit und alles Gute für 2023.

KI-Anwendungen in der klinischen Medizin: Beispiel HNO

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird ohne Frage in den nächsten Jahren in der Medizin an Bedeutung gewinnen. In einem aktuellen Beitrag der Zeitschrift HNO stellen die Autoren den derzeitigen Einsatz (KI-gestützte Begutachtung von Trommelfellbefunden, KI-Systeme zur Nystagmus-Detektion; ML in der Kopf-Hals-Onkologie etc.) in ihrem Fachgebiet vor und geben einen Ausblick auf künftige Anwendungsszenarien. So ließe sich die Aussagekraft der in der Diagnostik eingesetzten bildgebenden Verfahren steigern und die KI könnte die chirurgische Präzision und Patientensicherheit erhöhen. Als Herausforderungen sehen die Autoren den Datenschutz.

Es ist auch außerhalb der HNO anerkannt, dass die KI ein großes Potential besitzt. Wie kann man dies jedoch evaluieren? International wird zunehmend gefordert, dass ein Bewertungssystem dieser Gesundheitstechnologie eingeführt wird, welches die klinische Wirksamkeit und die Kosten betrachtet und letztlich zu evidenzbasierten Leitlinien führen kann. In Großbritannien wird beispielsweise ein solches Programm vom National Institute for Health and Care Excellence (NICE) bereits verfolgt.

Vokale Biomarker – Diagnose über die Stimme

Heute möchten wir unseren Lesern ein Thema vorstellen, dass in manchen Trendanalysen zu den zukünftigen, technologischen Entwicklungen im Medizinbereich immer wieder zu finden ist: vokale Biomarker. Ihnen wird ein großes Potential im diagnostischen Einsatz prognostiziert.

Worauf basiert die Annahme? Bei manchen Krankheiten kann die Stimme eines Menschen verändert sein, dies kann bei Erkrankungen des kardiopulmonalen Systems ebenso zutreffen wie bei psychisch-neurologischen Problemen. Vokale Biomarker können also Informationen über den Gesundheitszustand verraten.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz macht es nun möglich, dass Stimmanalysen beispielsweise im COVID-Screening eingesetzt werden. VocalisCheck ist eine solche Softwarelösung, die zwar noch auf ihre US-Zulassung für das Screening wartet, aber erste Studienergebnisse bereits Hoffnung weckten bzgl. der Sensitivität und der Spezifität.

Die Anwendung kann die Stimme einer Person, deren COVID-19-Status unbekannt ist, ohne zusätzliche Informationen oder Vorkenntnisse über den einzelnen Nutzer bewerten. Der „Patient“ spricht eine Textpassage in sein Smartphone, die Software nutzt eine Cloud-basierte Algorithmus-Datenbank zu Analyse.

Die Vorteile eine solchen Systems sind klar erkennbar: keine Wartezeiten, keine invasiven Maßnahmen, Telemedizin. Ein Umsatzmilliarden versprechendes Segment und ein Tummelplatz für Start-Ups.

Den möglichen Einsatz von vokalen Biomarkern bei psychischen Erkrankungen werden wir demnächst näher betrachten.

Jahresrückblick 2021 – erster Teil

Als Autor dieser Zeilen ist man fast geneigt, Letztjähriges zu recyceln. Vielstimmige Expertenmeinungen, Impfstoffdiskussionen aber auch Zuversicht – all diese Begriffe begleiteten uns auch im fast vergangenen Jahr 2021. Die Pandemie hat die Menschen nach wie vor im Griff – aber scheint ein wenig von dem Schrecken verloren zu haben, denn bundesweite Inzidenzen von über 400 hätten vor einem Jahr noch panische Ängste hervorgerufen. Nun hat man sich offenbar damit arrangiert: „Ein Mensch  kann sich an alles gewöhnen, man muss ihm nur genügend Zeit lassen“ schrieb ganz richtig der Romanautor N. Sparks. Nun ja, die Impfstoffe haben sicherlich dabei geholfen.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse konnten wir im Jahr 2021 im MedicalLearning-Blog dokumentieren?

Die medizinische Aus-, Weiter- und Fortbildung ist eindeutig digitaler geworden. Der Trend des letzten Jahres bestätigte sich, ärztliche Fortbildungen in Form eines Webinars sind Alltag geworden; Messeveranstaltungen waren ebenso betroffen und wurde aus dem Homeoffice besucht. Auch die Pharmaindustrie denkt um, Außendienste werden neu strukturiert und setzen vermehrt auf digitale Werkzeuge.

Manche technologische Entwicklung nimmt in den Gesundheitsberufen weiter Fahrt auf. Lernen wird unterstützt durch den Einsatz neuer Realitäten: Augmented Reality wird in der Hebammenausbildung erprobt, Tangible AR steht für CME-Fortbildungen bereit. Das Lernen scheint eine neue Evolutionsstufe zu erreichen.

Apps blieben in der Corona-Bekämpfung ein heißes Thema: sie sollten z.B. der Berechnung des Corona-Risikos in Innenräumen dienen, waren aber auch Teil einer kritischen Diskussion.

Künstliche Intelligenz findet im medizinischen Umfeld mehr und mehr Anwendungen, sei es im dermatologischen, ophthalmologischen Fachgebiet oder bei der Prognose individueller Sterblichkeit. Mit der Bedeutung der Künstlichen Intelligenz für die medizinische Fortbildung und für die Erstellung von CME-Kursen wird sich MedicalLearning im nächsten Jahr intensiver beschäftigen.

Der zweite Teil unseres Jahresrückblicks folgt in der nächsten Woche.

Dermatologische Schwarmintelligenz

Nun sag, wie hast du’s mit der KI? Diese Frage wird zukünftig den ärztlichen Berufstand noch häufiger beschäftigen, denn bislang sehen viele darin nur ein Zukunftsthema ohne aktuelle Relevanz. Auch ein kürzlich interviewter Medizinstudent meint, dass dieses Thema „überwiegend noch in der Zukunft liegt, und die KI sicher eher als Unterstützung statt gleichwertigem Helfer“ angesehen wird.(1)

Den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Dermatologie hatten wir in diesem Blog bereits thematisiert, denn die KI erwies sich schon mehrfach als äußerst treffsicher bei der Diagnose häufig vorkommenden Hauterkrankungen.

Doch wie sieht es bei selteneren oder auch ungewöhnlichen Fällen aus? Dieser Frage ging eine jüngst im JDDG erschienene Publikation (2) nach. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass bei einer anspruchsvollen Diagnostik von Hautläsionen das Mehrheitsvotum einer Gruppe von Dermatologen dem Ergebnis einzelner Ärzte sowie zweier KI-Algorithmen überlegen war.

Quellen

  • KI in der Medizin: Das sagen Nachwuchsärzte und -ärztinnen; HEALTH RELATIONS, 22. Oktober 2021
  • Kollektive menschliche Intelligenz übertrifft künstliche Intelligenz in einem Quiz zur Klassifizierung von Hautläsionen; JDDG (19), 2021, https://doi.org/10.1111/ddg.14510_g

Google: KI für den Hautpatienten

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist uns in diesem Blog schon häufiger begegnet. Zweifelsohne besteht das Potenzial, Ärzte bei der Betreuung von Patienten zu unterstützen – dies wurde z.B. schon beim Brustkrebs-Screening oder der Tuberkulose-Erkennung gezeigt. Wir hatten auch schon früher über die Anwendung von KI im dermatologischen Umfeld und die Bemühungen von Google berichtet.

Google setzt nun KI ein, um den Patienten mit seiner Smartphone-Kamera in den Prozess einzubinden. Das „KI-gestützte Dermatologie-Assistenz-Tool“ benötigt drei Fotos von der Haut, den Haaren oder den Nägeln aus verschiedenen Blickwinkeln. Dann werden dem User Fragen gestellt, die bei der Eingrenzung helfen sollen (Hauttyp, Dauer der Symptome etc.). Die Künstliche Intelligenz analysiert, greift auf Informationen zu fast 300 Erkrankungen zurück und erstellt eine Liste „passender“ Erkrankungen. Laut Google Health verfügt die Datenbank über etwa 65.000 Bilder und Falldaten von diagnostizierten Hauterkrankungen, Millionen von kuratierten Bildern von Hautproblemen und Tausende von Beispielen gesunder Haut.

Das Tool soll (noch) nicht den Arzt ersetzen und soll keine Diagnosen stellen – nur Informationen anbieten. Google verzeichnet pro Jahr fast zehn Milliarden Suchanfragen zu dermatologischen Themen; eine gute Grundlage für dieses KI-Konzept. Wer sich für das Tool interessiert, findet hier weitere Informationen.

Aktueller Beitrag zum Thema: Development and Assessment of an Artificial Intelligence–Based Tool for Skin Condition Diagnosis by Primary Care Physicians and Nurse Practitioners in Teledermatology Practices JAMA Netw Open. 2021;4(4):e217249. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.7249

Künstliche Intelligenz kann die Akute Myeloische Leukämie erkennen

Künstliche Intelligenz kann eine der häufigsten Formen von Blutkrebs – die Akute Myeloische Leukämie (AML) – mit hoher Zuverlässigkeit erkennen. Das haben Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankung (DZNE) und der Universität Bonn im Rahmen einer Machbarkeitsstudie nun nachgewiesen. Ihr Ansatz beruht auf der Analyse der Genaktivität von Zellen, die im Blut vorkommen. In der Praxis eingesetzt, könnte dieses Verfahren herkömmliche Diagnosemethoden unterstützen und den Therapiebeginn möglicherweise beschleunigen. Die Forschungsergebnisse sind im Fachjournal „iScience“ veröffentlicht.

Künstliche Intelligenz ist in der Medizin ein vieldiskutiertes Thema, insbesondere im Bereich der Diagnostik. „Wir wollten die Potentiale an einem konkreten Beispiel untersuchen“, erläutert Prof. Joachim Schultze, Forschungsgruppenleiter am DZNE und Leiter der Abteilung Genomik und Immunoregulation am LIMES-Institut der Universität Bonn.

Schultze und Kollegen ging es dabei um das „Transkriptom“: einer Art Fingerabdruck der Genaktivität. Denn in jeder Körperzelle sind je nach deren Zustand immer nur bestimmte Gene „eingeschaltet“, was sich im Profil der Genaktivität widerspiegelt. Genau solche Daten – sie stammten von Zellen aus Blutproben und umfassten tausende von Genen – wurden im Rahmen der aktuellen Studie untersucht.

In der aktuellen Studie stand die AML im Fokus. Ohne adäquate Behandlung führt diese Form der Leukämie innerhalb von Wochen zum Tode. Die AML geht einher mit der Vermehrung krankhaft veränderter Knochenmarkszellen, die letztlich ins Blut gelangen können. Dort treiben dann gesunde Zellen und Tumorzellen, deren Gene jeweils typische Aktivitätsmuster aufweisen. Alle diese Aktivitätsprofile gingen in die Analyse ein. Messdaten von mehr als 12.000 Blutproben – diese stammten aus 105 verschiedenen Studien – wurden dabei berücksichtigt: der bislang größte Datensatz für eine Metastudie über AML. Rund 4.100 dieser Blutproben kamen von Personen mit AML-Diagnose, die übrigen von Personen mit anderen Erkrankungen oder von Personen, die als gesund eingestuft worden waren.

Die Wissenschaftler fütterten ihre Algorithmen mit Teilen dieses Datensatzes. Zum Input gehörte, welche Proben von AML-Patienten stammten und welche nicht. „Die Algorithmen suchten dann im Transkriptom nach krankheitstypischen Mustern. Das ist ein Prozess der weitgehend automatisiert ablief. Man spricht von maschinellem Lernen“, sagt Schultze. Mit der so erworbenen Mustererkennung wurden dann weitere Daten von den Algorithmen analysiert und klassifiziert, also eingeteilt in Proben mit AML und ohne AML. „Uns war die Zuordnung, so wie sie in den Originaldaten verzeichnet war, natürlich bekannt, der Software jedoch nicht. Insofern konnten wir die Trefferquote überprüfen. Diese lag bei einigen Verfahren oberhalb von 99 Prozent.“

In der Praxis eingesetzt, könnte dieses Verfahren herkömmliche Diagnosemethoden unterstützen und helfen, Kosten zu sparen, meint der Bonner Wissenschaftler. „Prinzipiell könnte eine Blutprobe ausreichen, die der Hausarzt entnimmt und zur Analyse an ein Labor weiterleitet. Ich würde schätzen, dass die Kosten unterhalb von 50 Euro liegen.“

„Mit einem Bluttest, so wie er auf der Grundlage unserer Studie möglich scheint, wäre es denkbar, dass bereits der Hausarzt einen Verdacht auf AML abklärt. Und wenn sich dieser erhärtet, an einen Spezialisten überweist. Die Diagnose würde dann möglicherweise früher erfolgen als bisher und die Therapie könnte früher beginnen.“

 

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und der Universität Bonn, 20. Dezember 2019 (gekürzt)